Weltweit machen Ankündigungen zur Weiterentwicklung selbstfahrender Fahrzeuge die Runde. Wo stehen wir in Bezug auf das sogenannte Robotaxi? Wer macht das Rennen? Eine Bestandaufnahme mit Blick auf die möglichen Chancen aus Anlegersicht wagt das Team Global Equities / Absolute Return Multi Asset .
Während sich EU-Politiker um die zukünftige Klimaneutralität der lokal gefertigten Automobile sorgen und Strafzölle gegen günstige Importfahrzeuge verhängen, werden im August in China erstmals mehr elektrifizierte Fahrzeuge als Verbrenner neu zugelassen. Die zunehmende Regulierung innerhalb Europas scheint sich als Bremsklotz für Innovation in der einstigen Vorzeigebranche niederzuschlagen, dabei sprechen sich gerade die deutschen Premiumhersteller für Technologieoffenheit aus. Bei Volkswagen wird offen über betriebsbedingte Kündigungen sowie Standortschließungen in Deutschland aufgrund zu hoher Produktionskosten gesprochen.
In der Zwischenzeit stellt Apollo Go seinen Robotaxi-Service in Wuhan auf 100% fahrerlos um. Apollo Go stellt als Einheit des chinesischen Technologieriesen Baidu den derzeit führenden autonomen Mobilitätsservice im Reich der Mitte dar. Mit rund 900 000 Fahrten im zweiten Quartal konnte Apollo Go damit ein Wachstum von 26 % vorweisen. Die Abschaffung der Sicherheitsperson fügt sich bei Apollo Gos Angebot fließend in die Wachstumsstrategie ein, welche sich stark über den günstigen Preis definiert. So könnten mit der sechsten Generation die Kosten pro Fahrzeug um rund 60% auf umgerechnet 26.000 Euro reduziert werden. Für eine Strecke von 8 Kilometern werden dem Fahrgast weniger als 1,50 Euro belastet, was wiederum der Konkurrenz von Mobilitätsdiensten wie beispielsweise Didi zunehmend Sorge bereitet.
Auch Robotertaxi-Pionier Waymo expandiert. Mehr als 100000 bezahlte Fahrten pro Woche können mittlerweile verzeichnet werden. Hierbei sorgt insbesondere die regionale Ausweitung des Waymo-Service von ursprünglich Phoenix auf San Francisco und Los Angeles für zusätzliche Fahrten. Eine kürzlich beschlossene Finanzspritze von Konzernmutter Alphabet in Höhe von 5 Milliarden US-Dollar dürfte die Expansionsstrategie zudem befeuern. Aktuell umfasst die Taxi-Flotte bestehend aus umgebauten Jaguar I-Pace Fahrzeugen knapp 700 Fahrzeuge. Die Kosten pro Fahrzeug werden zwar nicht veröffentlicht, dürften jedoch auf Basis von Schätzungen bei circa 250000 Dollar liegen, was für ein flächendeckendes Angebot der Dienstleistung extrem hohe Investitionen vorab voraussetzt.
Cruise ist die Einheit für autonomes Fahren bei General Motors. Dort gibt es vergleichbare Hürden wie bei Waymo. Im Fall von Cruise stiegen die Kosten pro Fahrzeug des eingesetzten Chevrolet Bolt von einem Grundpreis in der Basisversion von unter 30.000 USD durch den Umbau zum Robotaxi auf mehr als 150.000 USD an. Im Zuge der hohen Anlaufverluste wurde das Investitionsbudget zunächst gestutzt. Anschließend wurden von Cruise Partnerschaften wie mit der Fahrdienstplattform UBER Technologies geschlossen, um die Flottenauslastung zu erhöhen.
Mit großer Spannung wurde von Tesla-Investoren der 8.August 2024 erwartet. Für diesen Termin hatte der Elektroauto-Pionier Neuerungen im Bereich des Autonomen Fahrens angekündigt. Jedoch musste der Termin auf den 10.Oktober verschoben werden. Tesla ist dafür bekannt, bei Ankündigungen von Zielen oftmals zu sportliche Zeitangaben zu machen. Daher wundert die Terminverschiebung nicht und erhöht letztendlich nur den Spannungsbogen.
Da Tesla im Gegensatz zu den zuvor genannten Robotaxi-Dienstleistern nicht mit Kartenmaterial für bestimmte Fahrgebiete operiert, sondern die gesammelten Daten der weltweit über 6 Millionen fahrenden Autos nutzen will, ist eine Einführung des Full-Self-Driving ungleich komplexer. Sollte jedoch Tesla wirklich in der Lage sein, den Sprung vom aktuellen Status des Autopiloten Level 2/3 auf die Vollautomatisierung eines Robotaxi mit den existierenden Fahrzeugen zu schaffen, könnten die Auswirkungen für die Mobilität der Zukunft flächendeckend sein.
Quelle: www.sae.org
Den Schlüssel zu einem technologischen Durchbruch könnte dabei die Software des Tesla-Autopiloten Version 12.5 bringen. Hierbei wurden vorhergehende Erkenntnisse in der Programmierung weitgehend über Bord geworfen. Vielmehr setzt Tesla nun auf KI-basierte Entscheidungsfindung des Fahrzeugs auf Basis der gesammelten Daten der im Umlauf befindlichen Teslas. So soll mit der neuen Software-Version das Full-Self-Driving laut ersten Erfahrungsberichten auf Youtube das Fahrerlebnis „menschlicher“ machen. Befindet sich beispielsweise eine Katze vor dem Fahrzeug, kommt das Fahrzeug nicht abrupt zum Stehen, sondern fährt mit reduzierter Geschwindigkeit auf die Katze zu, da diese üblicherweise das Weite sucht, sobald sie das Fahrzeug wahrnimmt. Das Fahrverhalten kann nun unterstützt durch die KI in Millisekunden auf die Reaktion des Tieres angepasst werden, sodass die Fahrt flüssiger verläuft.
Auch wenn Tesla bis dato keinen Robotaxi-Service angeboten hat, scheint in der bereits ab Werk verbauten Hardware und den vorhandenen Daten der existierenden Flotte ein signifikanter Vorteil gegenüber den Mitbewerbern zu bestehen. Der vorherrschende Weg, einem Fahrzeug dank einer möglichst genauen Programmierung des Umfelds in künstliche Karten die autonome Bewegung zu ermöglichen, scheint nicht nur zu kostenintensiv, sondern auch schwer skalierbar. Diese Umsetzung setzt zudem zur Erkennung des Echtzeit-Umfelds auf die Lidar-Sensorik. Die kürzliche Meldung der im überwiegenden Besitz von Intel Corp. befindlichen Mobileye, die Forschung & Entwicklung der Lidar-Technologie zu beenden, spricht auch dafür, dass Waymo oder Cruise es mit ihren Fahrzeugen schwer haben dürften.
Trotz der Verschiebung des Investorentages kündigt Tesla an, unter der Voraussetzung einer erteilten Genehmigung durch die zuständigen Behörden, den autonomen Fahrservice für das erste Quartal 2025 in China und Europa einführen zu wollen. Das Rennen um die Führungsposition der Anbieter von sogenannten Robotaxis scheint sich zu beschleunigen. Man muss davon ausgehen, dass analog zu den Erfahrungen von vergleichbaren Shared-Services der Platzhirsch den Großteil der Profite der gesamten Industrie auf sich vereinen wird. Deshalb möchte gerne jeder möglichst schnell den Markt besetzten.